Codex Theodosianus, Reg. Lat. 886 © Biblioteca Apostolica Vaticana
Der früherste schriftliche Beleg für die Anwesenheit von Juden auf dem heutigen geographischen Gebiet Deutschlands stammt aus dem Jahr 321. Es handelt sich um eine Verfügung Kaiser Konstantins, die durch eine Abschrift aus Köln belegt ist, aber für das gesamte Gebiet des Römischen Reiches nördlich der Alpen Gültigkeit hatte. Das Edikt besagt, dass Juden zum Dienst in den Stadtrat herangezogen werden können, eine Verpflichtung, für die der benannte Stadtrat selbst die Mittel aufbringen musste. 
Weitere Belege für die Anwesenheit von Juden in den nördlichen römischen Provinzen sind u.a. Ringe, Tonlämpchen und Bleiplomben mit dem eingeprägten Symbol des Judentums, der Menora, dem siebenarmigen Leuchter.
Schutzamulett mit dem Schma Israel, 3. Jahrhundert, © Burgenländisches Landesmuseum
In das kleine goldene Amulett aus dem dritten Jahrhundert, eine Grabbeigabe für ein Kindergrab, ist in Lautschrift mit griechischen Buchstaben der Beginn des Gebets „Schma Jisrael“, „Höre Israel“, eingeritzt. Es wurde in dem heutigen österreichischen Ort Halbturn gefunden.
Diese verstreuten Funde weisen auf die Anwesenheit von Juden im Einzugsgebiet des Römischen Reiches seit dem 3. Jahrhundert hin. Sie sind jedoch im Hinblick auf die Frage nach jüdischen Siedlungen schwer zu interpretieren. Die Forschung ist sich einig, dass es sich um sporadische Ansiedlung handelt, möglicherweise von  Durchreisenden, die im Fernhandel tätig waren.  
Jüdische Gemeinden sind erst ab dem 10. Jahrhundert für Orte wie Magdeburg oder Halle und später in einigen Städten am Rhein, u.a. in Köln, belegt. Ab dem 12. Jahrhundert entstanden entlang des Mains jüdische Gemeinden u.a. in Frankfurt, Aschaffenburg und Würzburg, die nun auch lokalen Handel mit Gütern des täglichen Gebrauchs trieben und in der Kreditwirtschaft tätig waren.
Codex Manesse: Süßkind von Trimberg, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Das Rechtsverständnis der Juden in der europäischen Diaspora basierte auf dem talmudischen Grundsatz „dina de-malchuta dina“, ‚דִּינָא דְּמַלְכוּתָא דִּינָא’ das Recht des Landes ist Gesetz. Damit ist die Anerkennung der Regeln des nichtjüdischen Landes definiert, das neben dem Gesetz der Tora zu befolgen ist. Dies galt vor allem in zivil-, steuer- und finanzrechtlichen Fragen. 
Das Verhältnis der Juden zu den Repräsentanten staatlicher Macht spiegelt die Szene aus dem Codex Manesse wieder, der berühmten Sammlung mittelhochdeutschen Minnesangs aus dem 14. Jahrhundert. Dargestellt ist der jüdische Minnesänger Süsskind von Trimberg im Gespräch mit staatlichen Autoritäten, zu erkennen an dem spitzen Hut, dem Erkennungszeichen jüdischer Figuren in illustrierten mittelalterlichen Handschriften.
Babylonischer Talmud (Wilnaer Ausgabe), Foto: Wikipedia.org © gemeinfrei
Rabbi Salomon Ben Isaak, genannt Raschi (1040-1105), der bedeutendste Talmud-Tora Kommentator seiner Zeit, stammte aus Troyes im Nordosten Frankreichs. Sein Talmud-Kommentar gehört noch heute zu den wichtigsten exegetischen Texten des aschkenasischen Judentums und ist Bestandteil des Babylonischen Talmuds. Nach ihm ist das „Raschi-Haus“ in Worms benannt, das heute ein jüdisches Museum beherbergt. Es befindet sich in der „Hinteren Judengasse“, nicht weit von der Wormser Synagoge.  
Raschi hielt sich vermutlich zwischen 1055 und 1065 in Worms auf, um sein Studium in der damals berühmten Wormser Jeschiwa zu vervollkommnen. Worms beherbergte im 11. Jahrhundert eine für damalige Verhältnisse große jüdische Gemeinde mit einigen hundert Mitgliedern. Bedeutende Gelehrte befanden sich zu dieser Zeit in der Stadt, die enge Beziehungen zu den Hochschulen in Mainz und anderen jüdischen Zentren in der Rhein-Main-Gegend unterhielten. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Jiddische, das in Raschis Schriften erstmals festgehalten wurde, von Wormser und Mainzer Juden als Alltagssprache gesprochen wurde.
Raschi-Haus mit Synagoge, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Die 1034 geweihte Wormser Synagoge wurde während der antijüdischen Massaker 1096 schwer beschädigt und ca. 80 Jahre später durch einen Neubau in der unmittelbaren Nähe des ursprünglichen Gotteshauses ersetzt. Umbauten aus mehreren Jahrhunderten, nicht zuletzt nach der Sprengung des Gebäudes durch die Nazis 1938/39, machten einen Neubau nötig, der 1961 eingeweiht wurde.
Friedhof Heiliger Sand © SchUM Städte e.V.
Der jüdische Friedhof von Worms gilt als das älteste mittelalterliche Gräberfeld in Europa. Etwa 2500 Grabsteine, einige aus dem 11. Jahrhundert, befinden sich auf einer Fläche von mehr als 1,6 Hektar, knapp zwei Fußballfelder groß. Bis heute pilgern fromme Juden aus aller Welt zu dem Friedhof, um die Gräber bedeutender Gelehrter zu besuchen. 
Frankfurter Dom, Südportal, Foto: Wikipedia.org © BY-SA 3.0
Im Mittelalter gab die Kleidung Auskunft über Stand, Beruf und Religionszugehörigkeit. Auf dem 4. Laterankonzil 1215 wurde gefordert, dass Juden sich durch eine Kopfbedeckung von Christen zu unterscheiden haben. Es dauerte nahezu einhundert Jahre, bis diese Forderung in die Praxis umgesetzt wurde. In Illustrationen jüdischer wie christlicher Handschriften und bei skulpturalen Darstellungen wurden Juden durch eine spezifische Kopfbedeckung, oft ein konisch nach oben zulaufender Hut mit breiter Krempe, charakterisiert. Ob ein solcher „Judenhut“ tatsächlich getragen wurde, ist nicht bekannt. 
Am Südportal des Frankfurter Doms ist eine Skulpturengruppe aus der Mitte des 14 Jahrhunderts zu sehen. Neben Maria mit ihrem Sohn auf dem Arm steht ihr Gatte Josef, dargestellt mit einem Judenhut.
Das Christentum beanspruchte die Nachfolge des Judentums im Hinblick auf das Bündnis mit Gott. Theologische Auseinandersetzungen fanden ihren Ausdruck nicht nur in Streitschriften, sondern auch in Bildern und Skulpturen.  
Die Kirche, Ecclesia, sieht sich in dieser Auseinandersetzung als Siegerin über die jüdische Gemeinschaft, die als Synagoge dargestellt wird. Das Augsburger Historienbild „Marienleben“ aus dem Jahr 1457 thematisiert den Triumph der Kirche über die Synagoge. Die gekrönte Kirche hält die Siegesstandarte in der linken Hand und fängt mit der rechten das Blut Jesu in einem Kelch auf. Der Synagoge fällt die Krone vom Kopf, ihre Lanze ist zerbrochen, sie erkennt die Wahrheit nicht, was durch die verbundenen Augen angedeutet wird. Sie steht für das Böse, das für den Tod Jesu verantwortlich gemacht wird. 
Dieser verachtende Blick des Christentums auf das Judentum findet sich in Liturgie und Gebet wieder, führte aber auch zu Vertreibung, Mord und Zwangstaufen. Während des ersten Kreuzzugs 1096 massakrierten marodierende Soldaten Juden im Rheinland. ‎Diese Morde sind als „Verfolgungen des Jahres 4856“ nach jüdischem Kalender in die Geschichtsschreibung eingegangen. Ab Mitte des 12. Jahrhunderts wurden Juden als Ritualmörder und Hostienfreveler angeklagt und verfolgt. Man warf ihnen vor, immer wieder die Tötung Christi zu vollziehen. Religiöse Vorstellungen vermischten sich mit der wirtschaftlichen Sphäre und begründeten ein Phänomen, das heute Antisemitismus genannt wird.
furter Judengasse1868, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei 
Im Spätmittelalter dezimierte aggressive, christlich motivierte Judenfeindschaft die jüdische Bevölkerung in Westeuropa. Neue jüdische Zentren entstanden in Osteuropa, wo Juden mit besseren rechtlichen Bedingungen rechnen konnten. Lediglich in Frankfurt am Main und Worms fanden keine Vertreibungen statt; hier wurden Ghettos mit einschneidenden Beschränkungen für die dort lebenden Juden eingerichtet.  

Die Frankfurter Judengasse bestand als Ghetto von 1462 bis 1796. Anfang des 17. Jahrhunderts lebten dort, sehr eingeengt, 2700 Personen, die ihre Straße nachts, an Sonntagen, christlichen Feiertagen und während der Wahl und Krönung der römisch-deutschen Kaiser nicht verlassen durften.  
 
Das Foto zeigt die baufälligen Häuser am südlichen Ende der Judengasse, die 1887 abgerissen wurden.
Nach dem dreißigjährigen Krieg, in dem etwa 40 Prozent der Bewohner in den deutschen Territorien umkamen, entstanden zwischen 1650 und 1815 neue jüdische Gemeinden, vorwiegend in ländlichen Gebieten. Die große Zahl unabhängiger Territorien, an die 300 waren es bis zum 18. Jahrhundert, verhinderte eine vollständige Vertreibung der Juden wie in England, Spanien oder Frankreich.  
Aufgrund der diversen Zuzugsbestimmungen in den deutschen Territorialgebieten haben die jüdischen Gemeinden das Prinzip der wohltätigen Gerechtigkeit, „Zedaka“, auf durchreisende Juden ausgeweitet, die Berechtigungsscheine für eine Mahlzeit oder eine Übernachtung erhielten.
Schutzprivilegium für die sechs Kinder von Juda Veit Singer mit Unterschrift von Friedrich II., Berlin 1764 © Jüdisches Museum Berlin
Die zunehmende „Verrechtlichung“ der neuzeitlichen Territorialstaaten führte zu unterschiedlichen „Judenordnungen“, die das Leben mit Sonderabgaben, Einschränkung der Freizügigkeit, dem Verbot von Landbesitz und dem Zugang zu Zunftberufen und Kaufmannsgilden erschwerte.  Gleichzeitig war es den Juden nun  möglich, ihre Rechte vor Reichsgerichten einzuklagen. Sogenannte Schutzbriefe, die teuer erworben werden mussten, regelten Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen.  
 
Das Schutzprivileg wurde für Juda Veit Singer und seine sechs Kinder ausgestellt und eigenhändig von Friedrich II. mit dem Datum 12.3.1764 unterschrieben. 
Schraubmedaille auf die Hinrichtung des „Jud Süß“, vermutlich Württemberg ca. 1738, © Jüdisches Museum Berlin, Fotos: Roman März und Jens Ziehe (3)
Die Institution der jüdischen Hoflieferanten ist ein Merkmal des absolutistischen Staates im 16. und 17. Jahrhundert. Die Politik und zentrale Verwaltung des Staates oblag dem unumschränkten Herrscher, der seinen Hof als Machtzentrum mit verschwenderischem Luxus ausgestattete.  
Einer kleinen Gruppe von Juden gelang es mit organisatorischem Geschick und weitreichenden Verbindungen bei einigen dieser Territorialherrschern Karriere zu machen. Die offerierten Handelskredite, sorgten für Lieferungen von Lebensmitteln, Stoffen und Waffen für das Heer und befriedigten die Sehnsucht nach Luxusgütern. Ihre Aufgaben und rechtliche Sicherheit waren so vielfältig, wie die Fürsten, für die sie tätig waren. Ihre Stellung am Hof war prekär. Sie konnten Reichtum anhäufen, aber auch jederzeit in Ungnade fallen.  
Eine Ausnahme stellt die Biographie von Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer, 1698 – 1738, dar. Er war erfolgreich als Hoffaktor des Herzogs Karl Alexander von Württemberg tätig. 1738 wurde er nach dem Tod des Herzogs aufgrund einer politischen Intrige hingerichtet; sein Leichnam wurde sechs Jahre lang in einem Käfig vor Stuttgart öffentlich zur Schau gestellt
Johann Baptist Seele: Madame Kaulla, Foto: Wikipedia.org © gemeinfrei
Zu den wenigen Frauen, die in diesem Metier erfolgreich waren, gehörte die sehr erfolgreiche, 1739 in Schwaben geborene Caroline Kaula, die hoch geehrt im Alter von 70 Jahren in Hechingen starb. Als Nachfolgerin von Süßkind Oppenheimer arbeitete sie im Auftrag der Residenzen Stuttgart und Ludwigsburg, für die sie im Pferde-, Waren- und Juwelenhandel tätig war. Mit dem Hohenzollernhof stand sie in Geldgeschäften und dem Verkauf von Münzen- und Medaillen in Verbindung. 
Sabbatai Zevi, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Eine andere Folge der Nachkriegswirren bestand in der Popularisierung mystischen Denkens. Schabtai Zwi, ein sefardischer Jude, 1626 in Izmir geboren, tauchte von 1665 bis September 1666 als der neue Messias auf und stellte die gesamte damalige jüdische Welt auf den Kopf. Viele jüdische Gemeinden, auch jene in den deutschen Ländern, bereiteten sich auf eine Auswanderung ins Heilige Land vor. Aufgrund der großen Anhängerschaft des neuen Messias stellte der osmanische Sultan Schabtai Zwi im September 1666 vor die Wahl, entweder zum Islam zu konvertieren oder hingerichtet zu werden. Die Wahl zwischen Tod oder Konvertierung entschied der vermeintliche Messias zugunsten des Übertritts zum Islam. Aus jüdischer Sicht vertagte sich damit die Hoffnung auf das Erscheinen eines Messias in eine endlose Zukunft. 
Moritz Daniel Oppenheim 1800-1882, Lavater und Lessing bei Moses Mendelssohn, Frankfurt am Main 1856 © The Magnes Collection of Jewish Art and Life, University of California, Berkeley
Moses Mendelssohn (1729–1786) ging als Philosoph, Autor und Vordenker der jüdischen Emanzipation in die Geschichte ein. Sein Kommentar sowie die Übersetzung der hebräischen Bibel und seine Auffassung, dass die Tora die universelle Hoffnung auf Erlösung bedeute, die Halacha, die religiösen Gesetze jedoch nur für Juden Gültigkeit behielten, machten ihn zur Symbolfigur des Übergangs in die Moderne. Diese Haltung provozierte unter anderem den Züricher Pfarrer Johann Caspar Lavater (1741-1801).  
 
Mit einer Mendelssohn gewidmeten Schrift forderte er diesen 1769 auf, seine Auffassung vom Christentum als alleinige Wahrheit anzuerkennen und sich folgerichtig taufen zu lassen. Dieser Streit inspirierte den Kunstmaler Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882), mehr als 80 Jahre nach diesem Ereignis, zu einem Gemälde, auf dem Gotthold Ephraim Lessing und Pfarrer Lavater als Gäste zu einem geselligen Schachspiel im Hause Mendelssohns zu sehen sind. Lessing, ein enger Freund Mendelssohns, beobachtet Lavaters Überredungsversuch, während Fromet, die Gattin Mendelssohns, Getränke serviert. 
August Theodor Kaselowsky 1810-1891, Porträt Albertine Heine als Braut, Berlin 1935, © Jüdisches Museum Berlin, Foto Roman MärZ
Bereits vier der sechs Kinder von Fromet und Moses Mendelssohn ließen sich taufen, ein Hinweis auf die allmähliche Trennung von säkularem und religiösen Leben. Heinrich Heine (1797-1856) bezeichnete die Taufe mit dem berühmten Bonmot als „bloße Nützlichkeitstatsache“, die als „Entrée Billet zur Europäischen Kultur“ dient, zu der man als Jude keinen Zutritt hatte. 
 
Albertine Heine, eine Berliner Bankierstochter, heiratete 1835 Paul Mendelssohn-Bartholdy, den jüngeren Bruder des berühmten Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy. Beide waren bereits getauft. Das Portrait von August Theodor Kaselowsky (1810-1891) zeigt Albertine in der Anmutung einer Madonna, im Hintergrund eine Lilie, dem christlichen Symbol jungfräulicher Keuschheit, in einem Rahmen, der das Motiv eines Kirchenfensters aufgreift. Das Gemälde entstand anlässlich ihrer Hochzeit.
Neue Synagoge Hannover, 1890, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelten sich unterschiedliche Perspektiven religiöser Praxis, im Gottesdienst und in der Synagogenarchitektur. Für beide in dieser Zeit neu entstandenen religiösen Orientierungen, der Reformgemeinde und der Neo-Orthodoxie, war die Verankerung in der deutschen Kultur maßgebend. Ein geordneter Gottesdienst wurde nach dem Modell der protestantischen Kirche eingeführt, bei der die Andacht im Vordergrund stand. Spezielle Musik für den Gottesdienst wurde komponiert, die in den Reformsynagogen mit Chören, begleitet von Orgelmusik, vorgetragen wurde, was in der Orthodoxie verpönt war.

Die neuen Synagogen wurden nun nicht mehr in einem Hinterhof platziert. Prächtige Sakralbauten behaupteten ihren Platz im Zentrum der Stadt. Zu den Eröffnungsfeierlichkeiten der neuen Gotteshäuser kamen christliche Repräsentanten und Honoratioren. Postkarten mit Abbildungen der Synagogen wurden gedruckt, die bezeugen, dass die jüdische Gemeinschaft zunehmend ein integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft wurde.

Nach kirchlichem Vorbild wurde in den Reformgemeinden die Bima, das Pult für die Tora-Lesung, aus der traditionellen Raummitte vor den Tora-Schrein an die Ostwand verlegt, während sie in den Synagogen der orthodoxen Gemeinden ihren Stammplatz in der Mitte behielt.  

Die Synagoge in Plauen wurde im Stil der neuen Sachlichkeit mit auffallender Innenbemalung erbaut und 1933 eingeweiht. Die Gebetsrichtung ist frontal nach Osten gebaut, die Bima steht vor dem Schrank mit den Tora-Rollen. Wie so viele andere Synagogen wurde sie in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstört. 
 
Die Neue Synagoge Hannover wurde für den orthodoxer Ritus erbaut, was an der zentralen Position der Bima zu erkennen ist. Sie wurde 1870 eröffnet und ebenfalls während der „Kristallnacht“ im November 1938 zerstört. 
Samson Raphael Hirsch, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Die Ausbildung der Kantoren und Rabbiner wurde professionalisiert, für beide wurde erstmals eine akademische Ausbildung eingeführt. Der Rabbiner war nun nicht mehr ausschließlich Gesetzeskundiger, der rechtliche Probleme zu lösen hatte. Ihm kam die Aufgabe zu, regelmäßige Predigten in der Landessprache abzuhalten 
 
Der Wandel der religiösen Praxis zeigte sich besonders deutlich im Synagogen-Gottesdienst. Nach dem Vorbild protestantischer Kirchen führten jüdische Gemeinden eine Predigt auf Deutsch, Chorgesang und Orgelmusik ein. Rabbiner waren nun akademisch gebildete Gelehrte, ihre Robe ähnelte dem Talar eines Pfarrers. 
 
Samson Raphael Hirsch (1808-1888) war ein führender Vertreter der Neo-orthodoxen Bewegung, der ab 1851 als Rabbiner der orthodoxen Frankfurter Religionsgesellschaft ‚Bnej Jeschurun“ vorstand.
Abraham Geiger by Lesser Ury, 1905, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Abraham Geiger (1810-1872) gehörte als Rabbiner und Gelehrter zu den Vordenkern des Reformjudentums. Er war Mitbegründer der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Das Portrait aus dem Jahr 1905 stammt von Lesser Ury (1861-1931) 
Regina Jonas, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Regina Jonas (1902-1944) gilt als die erste Rabbinerin weltweit. Die Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus dem Berliner Scheunenviertel studierte an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums mit dem Ziel, Rabbinerin zu werden. Gegen den Protest der jüdischen Gemeinde wurde sie im Dezember 1935 ordiniert, ohne jedoch den Beruf ausüben zu dürfen. Es sollten noch weitere 37 Jahre vergehen, bis die erste US-amerikanische Rabbinerin, Sally Preisand, den Weg für Frauen in diesen Beruf erkämpfte. 1992 wurde Bea Wyler als erste Frau in Deutschland, in Oldenburg und Braunschweig, in das Rabbineramt berufen. In der Orthodoxie sind bis heute Frauen in diesem Beruf nicht üblich. 
 
Das Portrait hat Herbert Sonnenfeld (1906-1972) aufgenommen, der fotografische Chronist des jüdischen Lebens im Berlin der 1930er Jahre. Es ist die einzige überlieferte Fotografie von Regina Jonas.
Während die Französische Revolution (1789-1799) nach heftigen Kontroversen die Juden Frankreichs in der Nationalversammlung 1791 den übrigen Bürgern gleichstellte, sollten dies in Deutschland etwa einhundert Jahre länger dauern.  
Dieser langwierige, mit vielen Rückschlägen gekennzeichnete Gleichstellungsprozess war immer wieder mit der Frage belastet, ob Juden fähig wären, ihre ‚Absonderung’ aufzugeben, um Teil des französischen Staates, beziehungsweise der jeweiligen deutschen Länder zu werden. Stanislas de Clermont-Tonnerre (1747-1792), der sich während der Revolutionszeit für die rechtliche Gleichstellung von Protestanten und Juden einsetzte, brachte diesen Argwohn mit dem berühmten Zitat zum Ausdruck: „Den Juden als Nation ist alles zu verweigern, den Juden als Menschen aber ist alles zu gewähren“. Dieser Satz deutet das Ende der vormodernen Jüdischen Gemeinschaft an, die sich nicht mehr als eine durch religiöse Regeln definierte Korporation verstand. Die Bedingung der Anerkennung als gleichgestellte Bürger war an den Verzicht auf das kollektive Verständnis vom Judentum geknüpft, was den Prozess der Akkulturation und Assimilation an die allgemeine Gesellschaft einleitete und eine auf Dauer gestellte Frage nach der „jüdischen Identität“.
Grab des Ehepaares Varnhagen-Ense, Foto: Wikipedia.org © BY-NC-SA 2.0
Der Grabstein von Rahel Varnhagen (1771-1833) auf dem evangelischen Friedhof der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin ist ein interessantes Dokument für die widersprüchlichen Herausforderungen der Emanzipation. Der neuen Selbstentfaltung in der christlichen Umwelt standen demütigende Erfahrungen gegenüber, die erst ab dem Zeitpunkt als schmerzlich und beschämend erfahren wurden, an dem sich Juden als Teil der allgemeinen Gesellschaft definierten. Die vielen Vor- und Familiennamen, die sich in der Biographie von Rahel finden, bezeugen dieses Phänomen. Geboren wurde sie als Rahel Levin. Nach dem Tod ihres Vaters nahmen sie und ihre Geschwister den Familiennamen Robert an, der weniger ‚jüdisch’ klingt als Levin, ein Name der sich von den Tempeldienern, den Leviten, herleitet. Mit der Taufe änderte sie ihre Vornamen in Friederike Antonie, um den 14 Jahre jüngeren Karl August Varnhagen von Ense heiraten zu können. Rahel starb 1833 im Alter von 62 Jahren, wurde aber erst 25 Jahre später, zusammen mit ihrem 1858 verstorbenen Ehemann, beigesetzt. Auf dem Grabstein sind sowohl ihr Taufname als auch ihr jüdischer Vorname eingraviert. Vermutlich, weil sie mit diesem Namen als Gastgeberin geistreicher Geselligkeiten und Autorin bekannt geworden ist. Ihr Geburtstag wird mit dem ersten Pfingsttag 1771 angegeben, ein Hinweis darauf, das die Taufe, die sie im Alter von 43 Jahren empfing, theologisch eine Neugeburt darstellt, mit der das vorherige Leben ausgelöscht wird. Auf ihrem Grabstein ist der Taufname Robert als Geburtsname verewigt, nicht aber der jüdische Familienname Levin.
Porträt Leopold Zunz, ca. 1875, The Israel Museum, Jerusalem, aus der Sammlung des Berliner Jüdischen Museums 1933-1938, Foto Roman März © Jüdisches Museum Berlin
Leopold Zunz (1794-1886) war der Begründer der „Wissenschaft des Judentums“, der das geistige jüdische Erbe als akademische Disziplin etablierte. Er gehörte zu einer Gruppe junger Juden, die 1819 den „Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden“ gründete, der sich nach fünf Jahre wieder auflöste, dessen Ideen jedoch eine Haltung zum Judentum inspirierte, die zur geistigen und kulturgeschichtlichen Definition des „deutschen Judentums“ schlechthin werden sollte.
Ismar Elbogen, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Die wohl bedeutendste Institution, die für den Kulturbegriff des „deutschen Judentums“ steht, ist die „Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums“, die im Mai 1872 in Berlin eröffnet wurde. Ein Jahr nach der Verabschiedung der Reichsverfassung von 1871, die den etwa 500.000 Juden im Deutschen Reich die Staatsbürgerrechte garantierte.  
 
Ohne Anbindung an eine religiöse Richtung, widmete sich die Hochschule der philologischen und historischen Erforschung des jüdischen Erbes, bildete aber auch Rabbiner und Religionslehrer aus. Die Absicht, das jüdische Erbe wissenschaftlich zu erforschen, um es den zeitgenössischen Standards anzugleichen, gelang aber nur nach innen. Das Bemühen, die Lehrinhalte an deutschen Universitäten zu implementieren, misslang. Die Judaistik als eigenständige, akademische Disziplin konnte sich erst nach dem Kriegsende in der Bundesrepublik etablieren.  
 
Ismar Elbogen (1874-1943) war Rabbiner, Privatdozent und Rektor der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, Mitarbeiter der Germania Judaica und Mitherausgeber der Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland. 
Bertha Pappenheim während ihres Aufenthalts im Sanatorium Bellevue, 1882, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Trotz der antijüdischen Ressentiments, die im Kaiserreich zu einer Weltanschauung und mit Wilhelm Marr’s These von der „Judenfrage“ als „Rassefrage“ rassistisch wurden, betrachteten viele Juden das Kaiserreich als „goldenes Zeitalter“. Durch Zuzug vom Land in die Stadt und den damit zusammenhängenden Aufstiegsmöglichkeiten gehörten die meisten Juden zur Mittelschicht, und nicht wenigen gelang der Weg zu Reichtum und Ansehen, darunter Bankiers und Geschäftsleute wie Emil Rathenau, dem Gründer der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft AEG, Albert Ballin, dem Hamburger Reeder oder den Gebrüdern Rothschild mit ihrem internationalen Bankenkonsortium. Ab 1870 wuchs die Zahl jüdischer Studenten, besonders in den Fächern Rechtswissenschaft und Medizin. Ein neues weibliches Selbstbewusstsein führte 1904 zur Gründung des „Jüdischen Frauenbunds“ durch die Wienerin Bertha Pappenheim (1859-1936), die 1907 in Neu-Isenburg ein Kinder und Mädchenwohnheim als Zufluchtsstätte für jüdische Mädchen gründete.
Aufkleber, den der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens in Umlauf brachte mit Zitat Kaiser Friedrich III., Berlin ca. 1920-29, © Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von John F. und Hertha Oppenheimer
Der „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, im März 1893 in Berlin gegründet, repräsentierte die Mehrheit der akkulturierten bürgerlichen Juden, was sich betont im Vereinsnamen ausdrückt. Der Centralverein sah es als eine der wichtigsten Aufgaben an, mit dem Mittel der Aufklärung den Antisemitismus zu bekämpfen, wie ein Aufkleber mit einem Zitat von Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl von Preußen 1831 -1888 zeigt, das während der 1920er Jahre in Umlauf gebracht wurde.    
Herrmann Cohen Hermann Cohen (Illustration aus der Jewish Encyclopedia) Foto: Wikipedia.org, ©  Gemeinfrei
Der Philosoph Hermann Cohen (1842-1918), der Religionsphilosoph Martin Buber (1878-1956) und der Historiker und Philosoph Franz Rosenzweig (1886-1929) gehören zu jenen Gelehrten und Intellektuellen des Kaiserreichs und der Zwischenkriegszeit, die ein neues Verhältnis zu ihrem jüdischen Erbe und zu den Beziehungen zu Deutschland formulierten. 
Der 70ste Geburtstag des Kommerzienrates Valentin Manheimer, Anton von Werner,1887, Foto: Wikipedia.org ©  Gemeinfrei
Am Berliner Hausvogteiplatz ließen sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts Konfektionsbetriebe nieder, unter ihnen viele von Juden, die sich die Pariser Haute Couture zum Vorbild nahmen. Zuwanderer aus Osteuropa und ein Heer von Heimnäherinnen machten dies möglich.  
Valentin Manheimer (1815 – 1889) war einer dieser führenden Konfektionäre in Berlin, der wie Hermann Gerson im großen Stil Mode produzierten, die zunächst in Heimarbeit von Berliner Näherinnen gefertigt wurden. Nach der Reichsgründung von 1871 stieg er zum zweitwichtigsten Textilproduzenten der Konfektionsbranche auf. Anlässlich des 70. Geburtstags des Unternehmers und Kommerzienrats erhielt der populäre Hofmaler Anton von Werner (1843-1915) den Auftrag, die Geburtstagsfeier des Jubilars in seiner Berliner Villa zu malen, ein Zeichen seines Aufstiegs in die höchsten Kreise der Berliner Oberschicht.
Sedertafel jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, Mitau 06.04.1917
© Jüdisches Museum Berlin
Schätzungsweise 100.000 Juden kämpften während des Ersten Weltkriegs, 1914-1918, in der Reichswehr; etwa 12.000 sind im Kampf gefallen und 1800 jüdischen Soldaten wurde das Eiserne Kreuz verliehen. In Uniform waren sie nun sichtbar mit den anderen gleichgestellt. Ihr national gesinnter Patriotismus wurde allerdings nicht überall anerkannt. 1916 veranlasste die Heeresführung eine „Judenzählung“, mit der, allerdings vergeblich, nachgewiesen werden sollte, dass sich Juden dem Militärdienst entziehen wollten. 
 
Während dieses Krieges wurden erstmals in Deutschland Feldrabbiner in den Dienst genommen, darunter auch Leo Baeck, der 1943 als Präsident der ‚Reichsvertretung der deutschen Juden’ nach Theresienstadt deportiert wurde.  
 
Die Fotografie wurde 1917, vermutlich anlässlich eines symbolisch abgehaltenen Seder-Abends mit Feldrabbiner Jacob Sonderling, im Stadttheater Jelgava, Lettland, aufgenommen. Symbolisch, weil nur der erste Tisch eingedeckt ist und der Seder-Abend im Rahmen eines Abendessens gefeiert wird.
Während der Weimarer Republik bewegten drei große Themen die etwa 600.000 Juden in Deutschland: ihre gesellschaftliche Integration, ein wachsendes Interesse an der eigenen Geschichte und Kultur und ein immer aggressiver werdender Antisemitismus, der sich als grundsätzliche Ablehnung der Demokratie äußerte, und in der Ermordung von Außenminister Walter Rathenau am 24. Juni 1922 einen vorläufigen Höhepunkt fand. 
 
Grafiken und Postkarten verbreiteten das Bild von dem geschundenen Deutschland, das von den Fesseln des Versailler Vertrags erstickt wird.  Von der Kriegsniederlage und den hohen Reparationszahlungen, so argumentieren diese Darstellungen, profitieren sowohl „akkulturierte Westjuden“ wie auch „rückständige Ostjuden“. 
Comedian Harmonists, Breslau 1930, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei
Beruflich waren Juden in der Zwischenkriegszeit in vielen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Lebens angekommen; als Anwälte, Politiker, Ärzte, Professoren, Künstler, besonders auch in dem sehr sichtbaren Feld der Unterhaltungsindustrie, die Filmwirtschaft eingeschlossen. Viele fühlten sich dem religiösen Judentum nur noch oberflächlich verbunden, waren sogenannte Dreitagejuden, die nur noch an den Hohen Feiertagen eine Synagoge aufsuchten.  
 
In dem Vokalensemble „Comedian Harmonists“ machten Nichtjuden wie Juden ab Winter 1928 eine spektakuläre Karriere. Wegen der drei jüdischen Mitglieder Erich A. Collin, Harry Frommermann und Roman Cycowski erhielten sie in Deutschland Auftrittsverbot und gaben ihr letztes gemeinsames Konzert im Februar 1935 in Norwegen.
Die „Jüdische Renaissance“, ein Begriff, mit dem Martin Buber (1878–1965) 1901 zu einer kulturellen Erneuerung des aufrief, sprach in erster Linie die Jüngeren an, die sich besonders nach dem Weltkrieg einer Jugendkultur verschrieben, die sich in Natur, Sport und der Suche nach Gleichgesinnten von der Kriegsgeneration abzusetzen suchte. Sportvereine und Wanderbünde wurden gegründet, die sich bewusst auf jüdische Traditionen bezogen. Der zionistische Gedanke, in einem „Judenstaat“, so der Titel der Schrift von Theodor Herzl (1860-1904), eine Lösung für ein Leben frei von Antisemitismus zu suchen, hatte unter den etablierten Juden in der Weimarer Republik nur insoweit Erfolg, als es darum ging, einen Ort für die von Pogromen verfolgten Juden Osteuropas einen Fluchtort mitzufinanzieren. 
 
„Emanzipation durch Muskeln“ führte zur Gründung zahlreicher jüdischer Sportvereine, nicht nur dort, wo Juden es schwer hatten, Aufnahme in allgemeine Sportzentren zu finden. Das zionistische Konzept des „Muskeljuden“ war Ausdruck von einem jungen, körperlich orientierten jüdischen Selbstbewusstsein.  
Praxisschild von Oscar Hirschberg, Berlin 1939, © Jüdisches Museum Berlin, Schenkung, Foto: Jens Ziehe
Die Hoffnung der deutschen Juden, es während der Weimarer Republik geschafft zu haben, ein unwidersprochener Teil der deutschen Gesellschaft zu sein, wurde durch die Politk der Nazis bitter enttäuscht. Sie wurden mit Gewalt aus dem ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Leben entfernt, zur Auswanderung gedrängt und schließlich Opfer eines vorbildlosen Massenmords.  
 
In den sechs Jahren bis Kriegsbeginn waren die Juden der Willkür von Polizei, Bürokratie und der lokaler Politik ausgesetzt, die über 900 antijüdische Einzelbestimmungen nach Willkür auslegten. Demütigungen und Mißhandlungen, die Zerstörung und der Raub von Eigentum wurden nicht mehr geandet, sondern aktiv unterstützt. Und dennoch rechneten die meisten Juden zunächst damit, dass die Phase brutaler Rechtlosigkeit nicht ewig anhalten würde. Die jüdischen Organisationen reagierten mit der Einrichtung von Schulen, Sportclubs, Kulturvereinen und schufen Hilfsstrukturen für arbeitslose Gemeindemitgleider und Ausreisewillige. 
 
Ab Oktober 1938 durften jüdische Ärzte nur noch jüdische Patienten behandeln. Der Arzt erhielt genaue Anweisungen, wie das Schild auszusehen hat. Auch die „zitronengelbe runde Fläche“ – Durchmesser 5 cm – mit einem blauen Davidstern – Dreieckshöhe 3,5 cm – war vorgeschrieben. 
Judenstern von Familie Lehmann, Berlin 1941-1945, © Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Roselotte Winterfeldt, geb. Lehmann, Foto: Roman März
Bis 1938 emigrierte etwa ein Drittel der gut 500.000 Juden in Deutschland, bis die Gewaltakte in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 allen deutlich machte, dass ein Verbleib in Deutschland sinnlos war. Danach begann für viele der verzweifelte Versuch, trotz extremer bürokratischer Belastung, Sonderabgaben und schwer erfüllbarer Einreisebestimmungen der angestrebten Fluchtziele, aus Deutschland zu entkommen, was sich nach Kriegsbeginn im September 1939 als nahezu unmöglich erwies. Insgesamt gelang es zwischen 1933 und 1941 etwa zwei Drittel aller deutschen Juden, sich in über 90 Länder zu retten; die übrigen wurden mit Millionen anderer Juden ermordet.  
 
Im September 1941 führte der NS-Staat die im Kriegsgebiet bereits erprobte Kennzeichnung der Juden im Deutschen Reich ein. Die sichtbare Anbringung eines Davidsterns auf die Kleidung kann als Auftakt für die Deportationen in den Osten im Oktober gelten, dem Beginn des Holocaust.

Die historische Forschung geht davon aus, dass zwischen 5,5 und 6,2 Millionen jüdischer Männer, Frauen und Kinder ermordet wurden. Die jüdische Gemeinde in Osteuropa wurde fast vollständig ausgelöscht.
In einem Interview 1945 deklarierte Leo Baeck, der Berliner Rabbiner, der Theresienstadt überlebt hat, die jüdische Existenz in Deutschland als definitiv beendet. Er sprach nicht davon, dass es keine Juden mehr in Deutschland geben würde, sondern davon, dass das historische Verständnis vom „deutschen Judentum“ in den Krematorien der Nazis verbrannt und mit der Auswanderung deutscher Juden nach Übersee emigriert ist.
Schulkinder im DP-Lager Schauenstein 1946, Foto:Wikipedia.org, © Gemeinfrei
Nach Kriegsende 1945 war Deutschland Aufenthaltsort für etwa eine viertel Million jüdischer Überlebender und Flüchtlinge aus Osteuropa. Als „Displaced Persons“ unterstanden sie alliierter Kontrolle und Versorgung, und waren bis zur Klärung ihrer Situation in Lagern kaserniert. Sie bezeichneten sich selbst mit dem biblischen Begriff „Scheerit Hapleta“ als „Rest der Geretteten“ und begannen in den DP-Lagern mit einer ersten Bestandsaufnahme des Holocaust und der Formen jüdischen Widerstands. Auswanderungsmöglichkeiten wurden erkundet, fast niemand hatte die Absicht, in Deutschland zu bleiben. Mit der Gründung des Staates Israel, der Verabschiedung des Displaced Persons Act vom Juni 1948, der Einwanderung in die USA ermöglichte, und der Gründung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten 1949, wanderten die meisten Juden nach Übersee aus. Zurück blieben knapp 20.000 Überblende, darunter wenige deutsche Juden. Sie begannen, im besiegten Deutschland eine neues Gemeindeleben aufzubauen.
Eisenhower, Bradley and Patton inspect looted art, 1945, Foto: Wikipedia.org © Gemeinfrei 
Bis zur Einwanderung von an die 200.000 russischsprachigen Juden aus der im Auflösungsprozess befindlichen Sowjetunion in die ebenfalls implodierende DDR hat sich die Zahl der Mitglieder in den jüdischen Gemeinden der alten Bundesrepublik nicht spürbar geändert. Die Zuwanderung von Juden aus europäischen Krisengebieten hielt sich die Wage mit der Abwanderung, meist junger Juden nach Israel, Großbritannien und in die USA. In der DDR lebten an die 600 Juden, die Hälfte von ihnen in Berlin. Heute spricht man von über 200.000 Juden in Deutschland, knapp die Hälfte als Mitglieder in 106 Jüdischen Gemeinden. 
 
Die ersten Nachkriegsjahrzehnte waren geprägt vom Kampf um Kompensation für erlittene materielle Verluste und sogenannte Gesundheitsschäden, die als Folge der Lagerhaft das Leben überschatteten. Während die Zahlungen, die als „Wiedergutmachung“ in die Geschichte eingegangen sind, nahezu abgeschlossen sind, beschäftigen Rückerstattungsverfahren, besonders für Kulturgut, immer noch die Gerichte. 
 
Das Foto zeigt General Dwight D. Eisenhower bei einem Fund von gestohlenen Gemälden, die in einem Salzbergwerk versteckt gewesen waren. 
Ausflug von jüdischen Kindern und Jugendlichen auf dem Rhein. Ca 1956, Foto: Cilly Kupferberg
Die Gründung Israel 1948 bescherte den Juden, besonders jenen in Deutschland, ein neues Selbstwertgefühl. Im Falle künftiger Katastrophen biete Israel Sicherheit und einen Fluchtort, den es mit allen Mitteln zu unterstützen und zu verteidigen gilt. Die israelische Fahne wird in dem physischen Zuhause zu einem stolzen Zeichen der Identifikation mit der emotionalen Heimat.
„ISRAELI, JUDE, jetzt auch noch SCHWER­BEHINDERT das muss sich doch in DEUTSCHLAND kommerziali­sieren lassen“, Daniel Josefsohn (1961–2016), Berlin, 2014/15 © Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. NDA/1510/0, Foto: Roman März
Jahrzehnte später reflektieren jüdische Künstler selbstironisch das deutsch-jüdische Verhältnis der Nachkriegsjahre. Unter ihnen Daniel Josefsohn (1961-2016). Seine Arbeit „Israeli, Jude, Schwerbehindert“ spießt mit betulichen Kreuzstichen ‚political correctness’ gegenüber Juden und Israelis auf.    
#JEWERSITY Videoausstellung © Jan Feldmann
Über 70 Jahre nach Kriegsende und nach dem Ableben der Generation der Täter und Opfer versteht sich Deutschland als diverse Migrationsgesellschaft, in der mehr als vier Millionen Muslime und Migrantenfamilien aus vielen Gegenden der Welt leben. Tausende von Israelis haben vorübergehend oder längerfristig ein Zuhause  in Deutschland gefunden und denken über neue Formen jüdischen Lebens nach. 
 
Inzwischen ist eine Generation von Juden in Deutschland herangewachsen, die sich nicht mehr, wie einst die deutschen Juden, nach Teilhabe und Heimatverbundenheit sehnen. Sie setzen sich kreativ für „Desintegration“ ein und suchen Bündnisse mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen.  

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