Im Jahre 321 nach Christus wandte sich der Stadtrat von Köln, seinerzeit die Hauptstadt der niedergermanischen römischen Provinz, an Kaiser Konstantin den Großen in einer administrativen Angelegenheit. Der Kaiser reagierte mit einem Erlass, einem Dekret, das den Provinzstädten die Berufung von Juden in den Stadtrat gestattete und im gesamten Imperium Romanum gültig war. Seitdem gilt diese Urkunde als ältester erhaltener Beleg für die Existenz einer jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen. 1700 Jahre ist das nun her.
Unter der Schirmherrschaft des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) findet 2021 in Nordrhein-Westfalen eine Reihe von Veranstaltungen statt – sie alle mit dem Ziel, die Geschichte der hier ansässigen Jüdinnen*Juden nachzuzeichnen.
Dreh und Angelpunkt ist Köln, weil keine andere Stadt in NRW so mit der jüdischen Geschichte verbunden ist.
Zu Beginn dieses Jahrtausends grub man – nahe des Rathauses – ein regelrechtes mittelalterliches „Judenviertel“ aus – mit Tanzhaus, Hospital, Bäckerei und Synagoge. Und einer Mikwe, einem jüdisch rituellen Tauchbad, das dem Museum MiQua seinen Namen gab, mit dem die Fundstelle derzeit überbaut wird. Ab 2024 werden Besucher auf einem 600 Meter langen Parcours die Zeit der Ritter und Minnesänger nacherleben können – mitsamt dem römischen Statthalterpalast (Praetorium), der in den 1950er-Jahren entdeckt wurde.
Vier multimediale Kuben werfen Schlaglichter auf Aspekte jüdischen Lebens um Köln
Für dieses Jahr hat man die Wanderausstellung „Menschen, Bilder, Orte – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ konzipiert – vier begehbare und multimedial bespielte Kuben (3 m x 3 m x 2,5 m), die sich jeweils einem Thema widmen. Kubus eins behandelt Recht und Unrecht, das der jüdischen Bevölkerung widerfahren ist, etwa das Pestpogrom von 1349, die spätmittelalterliche Ausweisung aus den Städten und die Shoa, aber auch die Zeiten, in denen Juden gleichberechtigt mit anderen leben durften, sowie die Bildung eines jüdischen Staates.
Kubus zwei gibt einen Einblick in das Leben und Miteinander der jüdischen und christlichen Gemeinde. So unterstützte der jüdische Bankier und Mäzen Abraham von Oppenheim (1804–1878) maßgeblich den Bau des Kölner Doms, während der protestantische Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner die Synagoge in der Kölner Glockengasse errichtete.
Kubus drei befasst sich mit Religion und Geistesgeschichte, und Kubus vier beleuchtet Kunst und Kultur. Feiertage werden hier mit ihren Riten und Symbolen erklärt und Künstler wie die Maler Felix Nussbaum, Marc Chagall und Max Liebermann, die Architekten Erich Mendelsohn und Gottfried Semper und der Komponist Friedrich Holländer vorgestellt.
Die Wanderausstellung startet am 3. März 2021 in der Alten Synagoge Essen in einem prächtigen Bau von 1913, der für das Selbstbewusstsein der damaligen jüdischen Gemeinde steht. Dank seiner massiven Bauweise aus Stahlbeton überstand er, wenn auch nur äußerlich, die Reichspogromnacht und den Zweiten Weltkrieg.
Weitere Stationen der Wanderausstellung sind die LWR-Landeshäuser in Münster und in Köln sowie das Niederrheinmuseum in Wesel und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund. Geplant sind ferner mobile Stände an zehn weiteren Orten, die an die jüdische Vergangenheit erinnern, und Veranstaltungen in der Synagoge in Titz-Rödingen (Kreis Düren), einem Bau von 1841, der zusammen mit dem Wohnhaus der jüdischen Familie Ullmann das einzige weitgehend im Originalzustand erhaltene Gebäudeensemble dieser Art im westlichen Rheinland ist.
Vom Familienepos bis zum Europäischen Tag der jüdischen Kultur
Weitere Highlights: Klaus Grosspeter trägt in der Synagogen-Gemeinde Köln „Geschichten von und über den Juwelier Fritz Deutsch (1921–1990)“ vor. Katalin Fischer liest im Festsaal der Universität Bonn aus ihrem Familienepos „Die Fischers, die Hamburgers und die Bánds“. Im Museum Kunstpalast Düsseldorf findet ein Gespräch mit dem Maler Yuryp Karchenko statt, der 1998 mit seinen Eltern als „jüdischer Kontingentflüchtling“ nach Dortmund kam.
Außerdem: wissenschaftliche Vorträge, Seminare in Kooperation mit den Hochschulen Köln, Heidelberg, Frankfurt und eine Fachtagung an der Universität Düsseldorf. Auf ihr wird man dem Klang hebräischer Poesie des Amsterdam Machsor lauschen dürfen, einem aus Köln stammenden Gebetbuch für besondere Schabbate von 1240. Am 5. September 2021 wird der Europäische Tag der jüdischen Kultur (ETdjK) begangen.
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