Die Mendelssohns: Sie waren Philosophen, Unternehmer und Künstler, brachten Bankiers, Gelehrte, Naturwissenschaftler, Historiker, Politiker und das berühmte Komponistengeschwisterpaar Felix und Fanny Mendelssohn Bartholdy hervor sowie den evangelischen Kirchenmusiker Arnold Mendelssohn. Ein Leben zwischen Tradition und Aufbruch, Macht und Moral, Begabung und Glück, das auch viele familiäre Zerwürfnisse mit sich brachte.
Am Anfang stand der Philosoph Moses Mendelssohn (1729–1786), der Großvater von Felix. Als bitterarmer 14-jähriger Talmudschüler hatte er Dessau verlassen und lebte in Berlin als ein „Migrant“ vorerst ohne bürgerliche Rechte im preußischen Staat. Fest in ihm verankert aber war der Glaube an Bildung und kulturellen Fortschritt, und so wurde er zum Vordenker der Aufklärung. Für seine Kinder erreichte er, dass sie die Staatsbürgerschaft in Preußen erhielten und damit eine Chance für gesellschaftlichen Aufstieg.
Zwei seiner Söhne gründeten das Bankhaus Mendelssohn, darunter auch Abraham (1776–1835), der Vater von Felix. 1816 ließ Abraham seine Kinder evangelisch taufen – die Taufkirche stand übrigens da, wo heute das Springer-Hochhaus steht. Felix war seinerzeit sieben Jahre alt und seine Schwester Fanny elf. Seitdem führte die Familie den Doppelnamen Mendelssohn Bartholdy nach dem Bruder von Felix‘ Mutter, der diesen Schritt gefördert hatte.
Felix Mendelssohn Bartholdys Musik durfte im Dritten Reich nicht aufgeführt werden
Durch diese frühe Konversion wurden ihre Nachkommen von den Nationalsozialisten teilweise nicht mehr als Jüdinnen*Juden eingestuft und vom Holocaust verschont. Diskriminiert wurden sie dennoch weiterhin. Das betraf besonders die Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, die im Dritten Reich nicht aufgeführt werden durfte.
Im 19. Jahrhundert aber verstanden sich die Mendelssohns noch als loyale preußische Untertanen, als evangelisch deutsche Patrioten. Abraham Mendelssohn, der als Stadtrat in Berlin mit zum Aufstieg der Stadt zur deutschen Metropole beigetragen hatte, reagierte enttäuscht, wenn sein Sohn Felix diesen Zweitnamen wegließ und sich nur Mendelssohn nannte. Auch wenn Abraham die religiösen Riten des Judentums mitunter als „verdorben und zweckwidrig“ empfand und es ihn störte, wenn sein Sohn Felix bei jüdischen Freunden an den Schabbatfeiern teilnahm, verleugnete er seine jüdische Abstammung nicht.
Zugleich förderte er seinen hochbegabten Sohn und dessen ältere Schwester Fanny (1805–1847) in einer Art, wie kaum Kinder in der Musikgeschichte je gefördert wurden. Abraham unterhielt sogar ein Privatorchester, mit dem der Junge sich im Dirigieren üben konnte, meist in den „Sonntagsmusiken“ vor Gästen wie Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe, Bettina von Arnim und Alexander von Humboldt. Viele seiner Kompositionen wurden bei diesen Sonntagskonzerten uraufgeführt.
Für eine Frau solle Musik nur Zierde, kein Beruf sein!
Auch Fanny, die später den protestantischen Porträtzeichner Wilhelm Hensel heiratete, durfte in diesem Rahmen ihre Fähigkeiten als Pianistin und Sängerin zeigen. Gleichzeitig aber ermahnte ihr Vater sie: Musik dürfe nur „Zierde, niemals Grundbass“ ihres „Seins und Tuns“ sein. Zum Taktstock zu greifen, wagte Fanny nicht. 1834 schrieb sie: „Hätte ich mich nicht so entsetzlich geschämt und bei jedem Schlag geniert, so hätte ich ganz ordentlich damit dirigieren können.“ Solche Hemmungen kannte ihr Bruder nicht, wenn er später in weißen Handschuhen und mit weißem Leder bezogenem Fischbeinstäbchen vor das Leipziger Gewandhausorchester trat.
Dennoch war das Verhältnis der Geschwister zueinander innig. „Liebste Fenchel" nannte der kleine Bruder seine Schwester liebevoll, die ebenfalls wie er komponierte und bei der Wiederaufführung von Bachs Matthäus-Passion 1829 mitwirkte. „Liebste Fenchel" nannte auch Peter Härtling seine Romanbiografie über Fanny Hensel, deren Kompositionen erst heute gewürdigt werden. „Ich habe dieses Literaturkonzert entwickelt, um die Neugier auf diese außergewöhnliche Familie und den sehr lesenswerten Roman von Peter Härtling zu wecken“, sagt die Schauspielerin Sibylle Bertsch. Mit dem Pianisten Cosmin Boeru interpretieren sie Werke von Fanny Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy, Mozart und Bach.
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