Jakób Józef Frank: Er galt als der Luther der Jüdinnen*Juden. Seine Anhänger sahen in ihm den neuen Messias. Doch für seine Gegner war er ein Scharlatan und Ketzer. Auf fast 1.200 Seiten und in sechs Büchern hat sich die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk in ihrem historischen Roman Die Jakobsbücher mit einer der schillerndsten Gestalten im Europa des 18. Jahrhunderts beschäftigt.
1726 als Sohn eines jüdischen Buchbinders im podolischen Korólówka – heute Westukraine – geboren, wurde Jakób Józef Frank zum Anführer der Frankisten, einer mystischen Bewegung, die fest entschlossen war, die Jüdinnen*Juden Osteuropas für die Moderne zu öffnen. Zeit seines Lebens setzte sich Frank für ihre Rechte ein, für Freiheit, Gleichheit, Emanzipation. Tausende Anhänger scharte Jakob um sich, Tausende Feinde machte er sich, wohl auch, weil er es mit den Religionen nicht so genau nahm. Zunächst ein Jude, lehnte er dennoch die Gesetze des Talmuds ab, konvertierte mit seiner Gefolgschaft bald zum Islam und dann später zum Katholizismus, indem er sich zweimal taufen ließ. Er gewann die Gunst der damaligen Herrscher und verlor sie wieder. 1756 wurde über Jakób Józef Frank der Bann verhängt. 1760 wurde er auf Anordnung der Kurie im Kloster auf dem Klarenberg in Tschenstochau interniert. Als die Stadt 1772 bei der ersten polnischen Teilung an Russland fiel, kam er frei. „Doch wuszte dieser vom Satan besessene Mann die Menschen zu umgarnen“, stand auch für Kaiserin Maria Theresia fest, deren Sohn Joseph II., laut Tokarczuk, angeblich ein Verhältnis mit Franks Tochter Ewa hatte.
Eine große Reise über sieben Grenzen, fünf Sprachen und drei große monotheistische Religionen
Franks rastloses Leben, das sich zwischen Bukarest, Istanbul, Saloniki, Warschau, Lemberg, Tschenstochau und anderen Orten abspielte, fand in Offenbach am Main ein Ende, wo der Fürst von Isenburg ihm sein Schloss zur Verfügung stellte und Frank zum Baron aufstieg. Dort starb er 1791 als „Polackenfürst von Offenbach“ und geriet in Vergessenheit. Viele Jahre später gelangte sein Schädel nach Berlin, wo er nach einer „peniblen“ Untersuchung „als Beweis der Unterlegenheit der jüdischen Rasse“ galt.
Für ihre „große Reise über sieben Grenzen, fünf Sprachen und drei große monotheistische Religionen“, wie es im Untertitel ihres Epos heißt, durchstöberte Olga Tokarczuk sämtliche Antiquariate und Archive und recherchierte in verstaubten, längst vergessenen Enzyklopädien. Ein enormer literarischer Kraftakt, der 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. In ihrer Heimat aber wurde die Autorin nach einer öffentlichen Rede zur „Staatsfeindin“ erklärt, weil sie die polnisch-litauische Adelsrepublik, in der die Handlung spielt, als einen politisch schwachen Feudalstaat darstellt, zu dem Machtmissbrauch durch Hochadel und Klerus, Unterdrückung der ethnischen Minderheiten, Judenpogrome und Ausbeutung der ‚leibeigenen‘ Bauern gehörten.
Ein opulenter Stoff in einem grandiosen Theaterabend
„Diese Hass-Reaktion hat sich nicht unmittelbar auf das Buch bezogen“, so Tokarczuk, „sondern auf meine Aussage im Fernsehen, dass die Polen sich auch den dunklen Kapiteln in ihrer Geschichte stellen müssen“, wie es die Deutschen getan haben. „Auch die Polen haben Juden ermordet, sie haben im Osten kolonialisiert, und die Landbevölkerung musste feudalen Frondienst leisten, der sehr an Sklaverei erinnert … Das hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Man hat mir dann vorgeworfen, ich würde lügen und mein Land verraten.“
In der Regie von Ewelina Marciniak, die im engen Kontakt mit der Autorin steht, wird der opulente Stoff nun auf die Bühne des Thalia Theaters gebracht. „Der Theaterabend wird voraussichtlich nicht länger als zwei Stunden dauern“, versichert die Theaterleitung.
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