Dem liberalen Rabbiner und Publizisten Ludwig Philippson (1811–1889) ist etwas Einzigartiges gelungen. Er übertrug Wortwahl und Klangfarbe des hebräischen Originaltextes der Bibel in eine flüssige und lebendige deutsche Sprache. Zur Idee erklärt Prof. Dr. Rüdiger Liwak, einer der drei Herausgeber der Neuedition des Textes: „Zum einen gab es damals schlicht keine brauchbare jüdische Bibel auf Deutsch. In den meisten deutsch-jüdischen Haushalten nutzte man eine christliche Lutherbibel. Darin sind natürlich viele Texte des Alten Testaments so übersetzt, dass sie auf das Neue Testament hindeuten. Da hat Philippson gesagt: ‚Wir brauchen eine eigene Übersetzung der hebräischen Texte!‘ Vor allem aber hielt Philippson die Übersetzung Luthers für sprachlich nicht gelungen. In seiner Allgemeinen Zeitung des Judentums kritisierte er diese als ‚einseitig, monoton und prosaisch, wo das Original viel- und tiefsinnig und voll Schwunges, voll Zartheit und Erhabenheit, voll Abwechslung und Biegsamkeit ist‘.”
Eine Bibelübersetzung voll Tiefsinn, Schwung und Zartheit
Diese „Israelitische Bibel” wurde ein genialer Wurf. Äußerst lesefreundlich prägte sie das jüdische Leben des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Gerade einmal 28 Jahre war Philippson alt, als er mit der Übersetzung der Bibel begann. Er muss gewusst haben, dass ihn die Mammutaufgabe, eine deutsche Fassung der Bibel explizit für Jüdinnen*Juden herauszubringen, sein Leben lang begleiten würde. Doch das dürfte ihn eher gefreut als geschreckt haben. Der gebürtige Dessauer war ein Multitalent, dessen Wirken das jüdische Leben in Deutschland maßgeblich beeinflusste.
Bereits die erste Gesamtausgabe soll bis 1866 über 100.000-mal gedruckt worden sein. Neben einer unkommentierten, nicht bebilderten Volksausgabe erschien 1874 eine Prachtausgabe mit 154 Illustrationen von Gustave Doré. Nun liegt sie wieder in einer liebevoll gebundenen, behutsam revidierten Neuedition durch das Abraham Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam vor.
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