Berlin im September 1945. Die Stadt ist zerstört, doch im erhaltenen linken Seitenflügel der Synagoge Fraenkelufer Nr. 10–16 wird der erste Gottesdienst nach der Shoa abgehalten: das jüdische Neujahrsfest Rosch Haschana. Robert Capa, der berühmte Kriegsfotograf, hielt die Szenen in Schwarz-Weiß-Bildern fest. Darunter auch die Teile, die nach der Pogromnacht 1938 und einem Bombenangriff 1943 von dem einst sehr großen Synagogengebäude, das 1916 vollendet wurde, übrig geblieben waren. Eines seiner Bilder zeigt vier ins Gebet vertiefte amerikanische Soldaten und Offiziere, darunter auch Harry Nowalsky, der sich besonders für diesen Gottesdienst eingesetzt hatte. Das Fraenkelufer war dem amerikanischen Sektor zugeteilt worden.
Der Bedarf an einem großen jüdischen Gebetshaus ist heute wieder groß
In den 50er-Jahren lebten nur noch 5.000 bis 6.000 Jüdinnen*Juden in Berlin, die zumeist in anderen intakt gebliebene Synagogen wie etwa die in der Pestalozzistraße oder im Logenhaus in der Joachimsthaler Straße beteten. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wanderten viele Jüdinnen*Juden, die dort heftigen antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt waren, nach Berlin aus. Heute kann man von über 40.000 Jüdinnen*Juden in der Hauptstadt ausgehen. Die Mehrzahl ist gläubig, sodass der Bedarf an einem großen Gebetshaus wuchs. Ende 2018 beschloss der Berliner Senat den Wiederaufbau der Synagoge Fraenkelufer.
Vor dem Krieg wurde die Synagoge am Fraenkelufer streng religiös in orthodoxem Sinn geführt und war für 1.600 Betende ausgelegt. Nach dem Krieg trafen hier, beziehungsweise im noch erhaltenen Südflügel, osteuropäische auf deutsche Jüdinnen*Juden. Das jüdische Gotteshaus, das mitten im muslimisch geprägten Kreuzberg liegt, wird heute von liberalen Rabbinern bestimmt. Viele junge Jüdinnen*Juden empfinden den Ort sogar als „hip“.
Das Freiluftkino zeigt jüdisches Leben im Film
Mit dem Wiederaufbau soll im Jahr 2023 begonnen werden. Ideen gibt es viele. Eine Anschubfinanzierung des senatseigenen Fonds ist inzwischen zugesagt. Unterstützung verspricht man sich auch aus den USA. Dort wurde ein Non-Profit-Verein gegründet, um Spenden zu sammeln. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2026 geplant – zur 110-Jahr-Feier der Synagoge am Fraenkelufer.
Im Sommer 2021 wird der Garten der Fraenkelufer Synagoge in ein Freiluftkino verwandelt. An fünf Abenden werden Filme gezeigt, die sich mit dem jüdischen Leben heute in Deutschland auseinandersetzen wie auch mit der Vergangenheit. Eingeladen sind Autor*innen sowie Schauspieler*innen und weitere Beteiligte. Die Auswahl traf Lihi Nagler, die Gründerin von „Jewish Moving Pictures: Film Curation for a Better Future“. Ihr Forschungsbiet ist die Repräsentation von Jüdinnen*Juden im zeitgenössischen Kino in Israel und Deutschland. Seit 2019 ist sie Kuratorin beim Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg und seit 2018 beim Warsaw Jewish Film Festival.
Sollte das Wetter eine Open-Air-Vorstellung erschweren, wird man auf die Räumlichkeiten des Betterplace Umspannwerk ausweichen, wo es ein großes Auditorium gibt. Dort ist Eruv Hub angesiedelt, der Co-Working Space für junge jüdische Grassroots-Initiativen des Jüdischen Zentrums Synagoge Fraenkelufer e. V.
Fraenkelufer 10-16
10999 Berlin
Deutschland
Berlin