Eine Veranstaltung des Projekts:
KlangART Vision
„Uns den kulturellen Reichtum unserer Gesellschaft bewusst zu machen, ist ein inspirierendes Anliegen“, so das Credo der Musik-Festtage KlangART Vision. Von Sachsen-Anhalt aus präsentieren sie Musik im Takt der Zeit und verbinden die Welt. Vor Ort und digital werden musikalische Brücken gebaut. Der diesjährige Themenschwerpunkt von KlangART Vision liegt auf Programmen der Neuen Musik in Zusammenhang mit der jüdischen Kultur. Das Festival findet vom 10. April bis zum 23. Mai 2021 statt.
Wer an Musik aus Sachsen-Anhalt denkt, dem klingen vor allem die Namen Telemann, Bach, Heinrich Schütz, Samuel Scheidt und Händel in den Ohren. Wenn es um das jüdische Geistesleben in dem Bundesland an der Elbe und Saale geht, dann denken viele an den Großvater von Felix Mendelssohn Bartholdy, den Philosophen Moses Mendelssohn, der im 18. Jahrhundert von Dessau aus zu einem der Wegbereiter der Aufklärung und der jüdischen Emanzipation in Berlin wurde. Wie später auch die jüdischen Schriftsteller Ludwig Börne und Heinrich Heine, sowie der Philosoph Edmund Husserl, die alle in Halle wirkten, standen die Mendelssohns stellvertretend für das deutsch-jüdische Bürgertum, das seit der Aufklärung die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung prägte – nicht nur in Sachsen-Anhalt.
Bereits im Jahr 965 waren die ersten Juden nach Magdeburg und Merseburg gekommen. Mehr noch: die heutige Landeshauptstadt Magdeburg verdankte einst ihre wirtschaftliche Bedeutung den jüdischen Kaufleuten. Sie ließen sich auch in Halle, wo sie im Jahr 1184 urkundlich erwähnt wurden, nieder und in Halberstadt – etwa 60 Kilometer südwestlich von Magdeburg. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörte die jüdische Gemeinde in Halberstadt zu einer der größten und bedeutendsten in Mitteleuropa. Neben Frankfurt/M. verkörperte sie bis ins 20. Jahrhundert das Zentrum der jüdischen Orthodoxie in Deutschland. Zugleich war ihre Geschichte aber auch geprägt von Anfeindungen, Vertreibung und Pogromen, wie etwa im 14. Jahrhundert, als die Pest ausbrach.
Zu dieser Zeit wurde 1361 im Halberstädter Dom die Blockwerksorgel eingeweiht, die „größte und modernste Orgel der Christenheit“ und die älteste neben jener in Aachen und Straßburg. Praetorius und Werckmeister wirkten in Halberstadt und ein Amerikaner, der nie hier war. John Cage (1912–1992). Sein Orgelstück „Organ²/ASLSP“ fasziniert bis heute. 20 Minuten ist es lang, die Vortragsanweisung aber lautet: „As SLow aS Possible“. 2003 waren die ersten drei Orgeltöne zu hören, in den nächsten Jahren folgten weitere. Erst im Jahr 2640 wird der letzte Ton verklingen.
Kultureller Reichtum und Bewusstsein für Musik und Geist
John Cages Bedürfnis, ein „Bewusstsein zu schaffen“ für Musik und Geist passt bestens zum Credo des neu geschaffenen Festivals KlangART Vision. „Uns den kulturellen Reichtum unserer Gesellschaft bewusst zu machen ist ein inspirierendes Anliegen – gerade jetzt“, sagte der künstlerische Leiter von KlangART Vision Markus Steffen. Insgesamt acht Konzerte stehen auf dem Programm, die in Halle und Dessau sowie in Halberstadt, Magdeburg und Naumburg in enger Partnerschaft mit den Jüdischen Kulturtagen, dem Freundeskreis Leopold Zunz Zentrum e.V. und der Moses-Mendelssohn-Akademie stattfinden werden. Artist in Residence ist die Pianistin Elena Bashkirova. Als Intendantin des Jerusalem Chamber Music Festivals und dem Kammermusikfestival des Jüdischen Museums Berlin, erweist sich die russische israelische Künstlerin als ideale Besetzung für das jüdische Gedenkjahr 2021.
„Auf der Suche nach dem inneren Gehalt der Musik“ hat Bashkirova ihr Recital mit ihrem Sohn, dem Geiger Michael Barenboim, genannt, auf dem unter anderen eine Sonate von Galina Ustvolskaya erklingt, einer Schülerin von Dimitri Schostakowitsch. Mit der Staatskapelle Halle unter Michael Wendenberg interpretiert Bashkirova ferner das Klavierkonzert „Panorama Ciego“ von Isabel Mundry, die, wie Cage, fasziniert ist von der Auflösung von Zeit und Tempo. Lieder unter anderen von Kurt Weill, der 1900 als Sohn eines jüdischen Kantors in Dessau geboren wurde, wird die Mezzo-Sopranistin Regina Pätzer im Synagogenraum in Halberstadt vortragen, ein „Israeli Songbook“ die israelische Songwriterin Noa. Mitglieder des Kairos Quartetts treten in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin auf. Zum Abschluss Christoph Ogiermann mit seinem Programm „Kassiber (jidd. kessaw ‚Geschriebenes’) und Intimitäten“ in der Moses Mendelssohn Akademie in Halberstadt.
All dies auf Website des Festivals und dem Offenen Kanal Magdeburg auf YouTube. Denn: „Musik muss gehört werden!“, so Steffen.
BESETZUNG
ensemble mosaik
In Zusammenarbeit mit dem Musikalischen Kompetenzzentrum und dem Gesellschaftshaus Magdeburg.
PROGRAMM
Jens Klimek
Clepsydra (UA)
Thomas Buchholz
Frühlingstrio
Annette Schlünz
(aufgelöst) verschlungen
Anna Skryleva
Impromptu in C
Caspar René Hirschfeld
Canto Largo (UA)
Sebastian Stier
Abgestecktes Gelände 2
Bernhard Schneyer
vorwärts