20.05.2022

Großes Interesse an praxisnaher Fachtagung „Jüdisches Leben in NRW – Lernen durch Begegnungen“

Gut Ding will Weile haben: Eigentlich hatte die Fachtagung „Jüdisches Leben in NRW – Lernen durch Begegnungen“ bereits im Dezember 2021 stattfinden sollen. Pandemiebedingt wurde das von #2021JLID und Bildungspartner.NRW initiierte Symposium nun auf den 18. Mai verschoben und stieß auf großes Interesse.

Rund 100 Pädagog*innen, Mitarbeitende in der Antidiskriminierungsarbeit und sonstige Multiplikator*innen hatten sich in den Tagungsräumen der gastfreundlichen DZ-Bank Düsseldorf eingefunden, um über Möglichkeiten, Chancen und Grenzen der Begegnung von jüdischen und nicht-jüdischen Schüler*innen zu sprechen. Auch „Best-Practice“-Projekte, um jüdisches Leben kennenzulernen und traditionelle Curriculae zu bereichern, standen auf dem Programm.

Neben den beiden von Shelly Kupferberg moderierten Podiumsdiskussionen – vormittags diskutierten Fachleute über Begegnungen im Spannungsfeld von Antisemitismuskritik und Unsicherheit, nachmittags ging es um die Relevanz von Begegnungen in und außerhalb der Schule – wurden auch zwölf Workshops angeboten. Darin ging es beispielsweise um außerschulische Lernorte, Initiativen gegen Antisemitismus, „Meet a Jew“ und weitere Begegnungsprojekte.

Eines davon stellte Ruth Schulhof-Walter vor. „Unsere Synagogengemeinde beschäftigt eine eigene Mitarbeiterin für die Führungen von Schulklassen und anderen Gruppen“, berichtete das Kölner Vorstandsmitglied des Vereins „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Und auch wenn es bedrückend sei: Wie notwendig der Schutz jüdischer Gebäude und Gotteshäuser durch die Polizei ist, habe man spätestens in Halle/Saale gesehen.

Aus einem benachbarten Seminarraum war Gesang zu hören: Schüler*innen des jüdischen Gymnasiums Düsseldorf hatten Videos und andere Materialien zum Schabbat erarbeitet, die sie den interessierten Lehrer*innen für mögliche Unterrichts-Einheiten präsentierten. Und in einem anderen Raum stellten Marat Schlafstein und Elisabeth Scheremet vom Zentralrat der Juden in Deutschland mit zwei Jugendlichen das Projekt „Meet a Jew“ vor.

Möglichkeiten der Begegnung boten zudem die Mittagspause mit koscherem Catering und die Info-Tische von Bildungspartner.NRW, dem Projekt „Jüdische Nachbarn“ und dem Verein „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Dessen Generalsekretärin Sylvia Löhrmann dankte bei der Abschlussveranstaltung den federführenden Organisator*innen des Fachtages Andreas Weinhold und Johannes Versante von Bildungspartner.NRW sowie Julia Hendrich und Felix Bjerke, die als Lehrer*in für das Festjahr #2021JLID vom Land NRW an die Bezirksregierung Köln teilabgeordnet worden waren.

Löhrmann befragte zudem die „Critical Friends“ nach ihren Eindrücken. Die fünf jüdischen Jugendlichen aus Düsseldorf hatten in alle Seminare hinein geschnuppert und fanden die Technik zuweilen zwar suboptimal, die Inhalte aber überzeugend. Neben der Freude über die guten Impulse des Festjahres #2021JLID gab es auch bei ihnen Trauer über den andauernden Antisemitismus: „Ich will mich doch nicht verstecken müssen“, sagte der 15-jährige Ever, der sich wünscht, dass vor jüdischen Schulen keine Polizei mehr notwendig ist.

Ulrich Wehrhöfer, der stellvertretend für Schulministerin Gebauer das NRW-Bildungsministerium vertrat, bedauerte, dass in den Lehrplänen noch zu sehr das Opfer-Narrativ überwiege, und forderte einen Perspektivwechsel hin zur Vielfalt jüdischen Lebens. Während LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger an die anwesenden Lehrer*innen appellierte, mit ihren Schüler*innen in der eigenen Region auf Spurensuche zu gehen, dankte ihre Kollegin vom LVR, Dr. Corinna Franz, den Gründern des Vereins „1700 Jahre jüdisches Leben“, von dessen Impulsen so viele Multiplikator*innen profitieren würden.

„Es war und ist ein Entdeckungsjahr mit einer enormen Resonanz“, bilanzierte der Leitende Geschäftsführer Andrei Kovacs im Gespräch mit Moderatorin Shelly Kupferberg. Erstmals nach der Shoah seien Jüdinnen*Juden im öffentlichen Raum wieder sichtbar geworden. Mit Blick auf das im Juli offiziell endende Festjahr betonte Kovacs: „Wir hoffen, dass die Saat, die unser Verein gelegt hat, aufgeht!“